640 Kilometer Stromleitung durch Erde, Watt und Meer buddelt man nicht mit Spaten ein. Dennoch stand ich vor ein paar Tagen nahe der Westküste Schleswig-Holsteins zusammen mit lauter Managern und Politkern in einer kartonfrischen Arbeitsmontur – die inzwischen wohl auch wieder im Karton ist – und vollbrachte einen symbolischen Spatenstich. Für das Nordlink-Kabel. Das ist eine Stromleitung, die die norddeutschen Windparks mit den norwegischen Wasserbatterien verknüpft und so der Energiewende durch Vernetzung eine neue Sicherheit und Dimension gibt. Es ist – mal echt – ein Meilenstein für die Energiewende, und es wurde hart dafür von allen gearbeitet.
Ich kann mich erinnern, dass ich mich früher über jede Windmühle freute. Wenn man heute an die Schleswig-Holsteinische Westküste fährt, sieht man tausende davon. Die Energiewende hat sich materialisiert und mit Windmühlen, Strommasten, Solarparks, Biogasanlagen und Leitungen die Landschaft verändert. Die Energiewende hat, wenn sie vom Papier zur Wirklichkeit wird, eben wenig mit romantischen Vorstellungen zu tun, sondern ist auch eine Industrie.
Das kann man doof und hässlich finden. Aber der Kampf gegen Atomkraft und Kohle ist in einem voll durchindustrialisiertem Land nicht zu gewinnen, wenn man im zu kleinen Maßstab denkt, Netzausbau nicht will oder sich vor unbequemen Entscheidungen drückt. Etwas abzulehnen, bedeutet etwas anderes zu bejahen. Wer gegen Atomkraft und Kohlenergie und Gaskraftwerke ist, hat die Wahl zwischen Windkraftanlagen und Stromleitungen oder massivem Wohlstandsverzicht. Wahrhaft politisch zu sein, bedeutet, Entscheidungen zu treffen. Und jede Entscheidung Konsequenzen, die wieder neue Schwierigkeiten und Fragen aufwerfen.
Genau dazu muss sich Politik bekennen. Der jetzt zur Ratifizierung in Bundestag und Bundesrat anstehende Weltklimavertrag ist ein Durchbruch – aber er ist auch nur ein Vertrag. Er wird erst erfüllt, wenn Politik sich traut, konkret zu werden. Alle, die jetzt jubeln und drängen, dass das Weltklimaabkommen verbindlich wird, müssen sich auch daran erinnern, dass die Konsequenz sein muss: mehr Windräder, andere Autos und keine Ölheizungen mehr.
Das Problem der Klimaschutzpolitik ist kein Mangel an Papier und Verträgen. Das Problem ist, die ewige Ankündigungsrhetorik – und wenn es konkret wird, schlägt sich Politik in die Büsche. Gerade geschehen, als die Kollegen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks den Klimaschutzplan 2050 zerfleddert haben. Und dann ratifiziert Deutschland ein zukunftsweisendes Weltklimaabkommen. Come on, Bundesregierung: Hab doch mal den Mut, dazu zu stehen. Habt doch mal den Mut, Zukunft zu machen.