Gestern war ich in Bayern. Das klingt in diesen Tagen irgendwie abenteuerlich. War es dann auch. Aber auf eine ganz andere Art. Als ich in München ankam, geriet ich an zwei Polizisten. Sie erkannten mich und sprachen mich an. Ich krieg immer noch einen Schreck, wenn mich Polizisten ansprechen und fühle mich irgendwie ertappt, als wäre ich ohne Rücklicht Fahrrad gefahren. Aber sie wollten eigentlich nur reden. Natürlich behielten sie ihre professionelle Distanz und ihre Beamtenloyalität. Aber allein aus ihren Fragen konnte man Unruhe merken. Sie: „Sehen wir Sie denn bald wieder in Bayern?“ Ich: „Sicher, zum Wahlkampf im Oktober“. Sie: „Sicher ist jetzt erstmal gar nichts.“
Dann traf ich meine Gastgeber, zwei Milchbauern. Wir fuhren zu der Veranstaltung, dem bayerischen Milchbauerntag, zu dem ich eigenladen war. Und klar, wir redeten über den Milchpreis, eine Reform der Marktordnung, mehr Geld für Umweltschutz und Tierwohl. Und dann plötzlich: Bayern exportiert landwirtschaftliche Güter im Wert von mehr als 9 Millia
rden Euro, vor allem nach Österreich und Italien. Weiß das die CSU nicht?
Lederhose, Verantwortung und dienen wollen
Der Milchbauerntag war für Norddeutsche ein Spektakel. Die Milchbauern trugen Lederhose und Trachtenmütze (mir wurde eine Lederhose versprochen, für den Fall, dass die Grünen in Bayern im Wahlkampf 15 Prozent machen. Die will ich natürlich haben! Also die Hose auch.), die Frauen Dirndl. Eine Blaskapelle spielte, das Fleckvieh käute wieder, eine Kuh kalbte vor aller Augen, von der Halle aus sah man die Alpen. Es war unwiderstehlich schön. Ich redete, was ich so rede. Über faire Preise für die Bauern und einen Markt für Umweltschutz. Und ich merkte zuerst gar nicht, dass irgendetwas anders war. Denn es war bis zum Zerreißen still. Ich dachte kurz, dass sie mein norddeutsches Genuschel nicht verstehen. Aber sie klatschten auch nie, wenn ich glaubte, was wirklich Lustiges und Unwiderstehliches zu sagen, sondern bei den ernsten, ruhigen Passagen in denen ich versuchte zu beschreiben, was und wie Verantwortung geht, in denen ich von einer Politik sprach, die sich klein macht, die dienen will, die eine Gesellschaft zusammenführt. Und genau darauf wurde ich nach der Rede angesprochen.
Beim anschließenden Hofbesuch erklärte ein Biobauer, der mit regional vermarktetem Jogurt auf Heumilchbasis gute Gewinne macht, uns, dass mangelnder Weitblick nicht konservativ ist.
Für die CSU ist Politik ein Spiel. Um Macht.
In München traf ich einen Soziologen, der zu den besten Erklärern unserer Gegenwart gehört und ziemlich gut auf den Punkt bringen kann, was gerade los ist. Für die Politiker der CSU sei Politik nicht ernst, sagte er. Ich fand, dass das alles ziemlich ernst wirke. Aber sein Punkt war: Es gehe ihnen nicht um die Sache, sondern um die Macht. Und der ordneten sie alles unter. In dem Sinn sei ihr Vorgehen unernst. Es sei wie ein Spiel. Und sie würden die Konsequenzen nicht wirklich ernst nehmen.
Und ich dachte immer: Konservativ ist Güte und Verlässichkeit
Während ich diesen Blog schreibe, schaut mein Nachbar immer wieder auf meinen Bildschirm. Er tippt mich an, entschuldigt sich, dass er mitgelesen hat. Schreiben Sie, dass die CSU nicht Bayern ist. Und dass ich ein Konservativer bin. Und immer dachte, konservativ bedeute, Regeln, Ordnung, Berechenbarkeit und Güte und Verlässlichkeit.
Ich schreibe das. Und ich weiß, das weiß-blau nicht schwarz ist.