Vor einem Jahr wurde das Bataclan von islamischen Terroristen angegriffen. Viele werden diese Nacht nicht vergessen. Ich war damals auf einer Kabinettsklausur, abends starrten wir auf die Bildschirme, und der Innenminister telefonierte die ganze Nacht. Allen war klar, dass etwas passiert ist, das gravierende Auswirkungen haben würde. Frankreich und Europa griffen in den Kampf in Syrien aktiv ein, Terrorgesetze wurden verschärft, die Flüchtlingsdebatte kippte.

Eine etwas weniger existenzielle Zeit wäre auch okay

Seitdem scheint die Weltlage aber immer weiter zu eskalieren: Brexit und Putsch in der Türkei, Inhaftierung von tausenden, Bombardierung von Aleppo – und jetzt Trump.. Ich habe oft gesagt, es ist eine extistentielle politische Zeit, aber etwas weniger davon wäre auch ok. Man möchte es einfach manchmal nicht wahrhaben. „Just cast away and I am lost at sea“, so fühlt es sich an.

“Das schönste, was man tun kann, ist leben.”

Gestern wurde das Bataclan neu eröffnet. Und Sting sang. Die Berichte von dem Abend sind ein Brennglas unserer Zeit. Und so privat, ja intim die Zitate der Besucher und Besucherinnen, die ich in den Zeitungen las, sind, sie sind politische Statements in einer Zeit, in der die Politik die Orientierung verliert. Und häufig auch den Kopf.

„Das schönste, was man tun kann, ist leben.“

„Der Kleine ähnelt seinem toten Vater.“

„Zu diesem Konzert zu gehen, ist eine Pflicht, weil 90 Menschen es nicht mehr können.“

„Rescue me before I fall into despair.”

Und Sting selbst, der sagt, „Wir haben zwei Aufgaben in Einklang zu bringen: zunächst jener zu gedenken, die ihr Leben bei den Anschlägen verloren haben, und dann das Leben und die Musik an diesem historische Ort zu feiern.“

 

SOS to the world

Trauer und Rock – geht das zusammen?

Nicht nur das, es ist eine Antwort auf die politische Krise unserer Zeit, jedenfalls ein Symbol dafür. Gefühl und Härte. Ein Aufbäumen aus Menschlichkeit, ein sich Einmischen aus Trauer oder Verzweiflung. Dass Menschen ihre Stimme erheben..

Nicht Donald Trump hat die Wahl in den USA gewonnen, Clinton hat sie verloren. Sie hat es nicht geschafft, Menschen zu überzeugen, dass eine Stimme für sie lohnt. Aber auf jede Stimme kommt es an. Und wenn gemeinsames Singen hilft, dass man seinen Mund aufmacht, dann ist das genau richtig. Musik transformiert. Rock ist Protest und Zuneigung und verbindet, was sonst einzeln ist.

“It seems I’m not alone at being alone”

Genau das brauchen wir jetzt.

“A hundred million castaways, all looking for a home”

Und jetzt alle: “I send an SOS to the world“

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