Geteilte Selbstverständlichkeit
Mittwoch nachmittags sind die Züge von Berlin nach Hamburg voll. Meiner jedenfalls war es, und es war nur Platz auf dem Gang. Aber ich hatte Glück:
Es gibt ja in den neuen ICEs diese merkwürdigen Telefonzellen. Doppelt merkwürdig: weil sie kein Telefon haben und man da mit seinem Handy telefonieren soll, 2. weil es mangels Netz so gut unmöglich ist, zwischen Berlin und Hamburg mobil zu telefonieren. Aber zum Rückenanlehnen sind sie wunderbar, und zugig war es auch nicht.
Gang-Brüder
Neben mir saßen noch zwei andere Männer auf dem Fußboden, durch vom Tag. Der eine las Zeitung, der andere tippte auf seinem Handy.
Wir beachteten uns nicht groß und es war eine lässige Atmosphäre, diese Art von geteilter Selbstverständlichkeit, die einen Alltag manchmal besonders macht. Die Stimmung, ein Bier kreisen zu lassen.
Aber ich hatte noch ein Energieforum in Hamburg und musste mich noch in die deutsch-dänische EEG-Abkommen einlesen. Also kein Bier, nur Gang-Brüder im stillen Geiste.
#politikquiz
Als ich nach einer Stunde voller deutsch-dänischem Solarwissen hochschaute und einmal mein Handy checkte, fand ich folgenden Tweet:
Klar Habeck, wegen der Schuhe @_tillwe_ @wahl_beobachter @RobertHabeck
Kordula Schulz-Asche (@K_SA) 5. Oktober 2016
Ich schnallte erst nicht, was los war, folgte dann dem Absender und fand folgenden Tweet:
Mir sitzt ein Landesminister gegenüber auf dem ICE-Boden. Wer könnte das sein? #politikquiz pic.twitter.com/0nw19BS03a
— Martin Fuchs (@wahl_beobachter) 5. Oktober 2016
Das waren meine Schuhe. Auf dem Teppich vor mir. Ich blickte hoch, und mich grinste der Typ an, der mir gegenüber auf dem Fußboden saß und mit dem ich vorhin kurz gern ein Bier aufgemacht hätte. „Bist Du @wahl_beobachter?“, fragte ich ihn. Er grinste. „Ich bin Robert“, sagte ich. „Weiß ich doch“, er. Und dann quaschten wir den Rest der Zugfahrt.
Im Wesentlichen darüber, wie die moderne Kommunikation Wirklichkeit verändert und dass Kommunikation das immer getan hat und wie die twitter Welt sich in die reale Welt übersetzen lässt.
Schuh-Söder
Praxisbeispiel: unsere Zugfahrt selbst. Die virtuelle, virale Welt muss Menschen nicht entfremden, sondern sorgt für überraschende Begegnungen. Manchmal sorgt sie auch für geteilte Selbstverständlichkeit. Das müssen wohl ein paar mehr Menschen so empfunden haben, denn das kleine Spiel von Martin wurde oft geliked und retweetet.
Apropos Überraschungen: Jemand tippte, dass ich Markus Söder sei. Hm. Ich schoss noch ein Foto zurück:
Welcher @wahl_beobachter sitzt mir gegenüber und twittertFotos von meinen Schuhen als #politikquiz? pic.twitter.com/hXW0CQHFbI
— RobertHabeck(@RobertHabeck) 5. Oktober 2016
Was ein Glück, dass der Zug so voll war…