Ein politischer Nachrichtendienst?

Von 2009 bis 2012 war ich als Landtagsabgeordneter Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Arbeit des Verfassungsschutzes beaufsichtigt. In vielen langen Sitzungen bekamen wir Einblick in Akten und Ermittlungstätigkeiten. Während dieser drei Jahre habe ich meine Haltung zum Verfassungsschutz revidiert. Die war zuvor extrem kritisch. Dass wir eine Behörde haben, deren Auftrag es ist, im Geheimen zu operieren, das erschien mir zuvor demokratisch mindestens hinterfragbar. Aber dann lernte ich, welchen Sicherheitsgewinn gerade das verdeckte Ermitteln brachte. Und dass der Verfassungsschutz von sich aus informierte, wenn seine Tätigkeiten politische Bedeutsamkeit erlangten.

Was wir seit längerem und zugespitzt in diesen Tagen vom Bundesamt für Verfassungsschutz und seinem Präsidenten Hans-Georg Maaßen erleben müssen, ist ziemlich genau das Gegenteil dessen. Herr Maaßen macht den Inlandsnachrichtendiesnst zu einer politischen Behörde. Seine Aufgabe ist es, auf der Grundlage von Fakten und Wissen für den Schutz unserer Verfassung zu sorgen. Hat er diese Fakten, wäre es seine Aufgabe, den zuständigen Innenminister zu informieren, und dieser hätte in diesem Fall die Kanzlerin informieren müssen, da Maaßens angebliche Erkenntnisse ja Aussagen der Bundeskanzlerin widersprechen.

Das hat Herr Maaßen aber nicht. Er hat die Bundeskanzlerin frontal in der auflagenstärksten deutschen Zeitung angegriffen. Er hat behauptet ein Video, das Jagdszenen auf anders aussehende Menschen zeigt, sei eine gezielte Falschinformation, um vom Mord in Chemnitz abzulenken – Belege, Beweise dafür? Nichts. Dafür aber zieht er die Medienberichte über die Vorfälle in Chemnitz in Zweifel und unterstellt der Presse damit , nicht richtig zu recherchieren und Unwahres zu berichten. So bedient Herr Maaßen die Agenda der Rechtspopulisten.

Erinnert sei daran, dass nach wie vor der Vorwurf nicht ausgeräumt ist, dass Herr Maaßen sich mit AfD-Politikern traf, um sie zu beraten, wie sie der Überwachung durch den Verfassungsschutz entgehen können. Herr Maaßen hat zudem die Unwahrheit erzählt, als er verneinte, der Verfassungsschutz habe V-Leute im Umfeld von Anis Amri eingesetzt. Vom Versagen des Verfassungsschutzes bei den NSU-Morden ganz zu schweigen.

Und nun agiert Herr Maaßen selbst wie ein Politiker – und macht damit als Präsident den Verfassungsschutz zu einer politischen Einheit. Einen politischen Nachrichtendienst, darf es aber in Deutschland nie wieder geben. Eine Bundesregierung darf das nicht zulassen, genauso wenig, wie sie zulassen darf, dass der Chef des Verfassungsschutzes offen gegen sie intrigiert. Innenminister Horst Seehofer, der Vorgesetzte von Herrn Maaßen, hat spätestens seit seinem Satz von der „Herrschaft des Unrechts“ belegt, dass ihm die Kategorien der Rechtsstaatlichkeit abhandengekommen sind. Insofern ist das Problem auch eines der Bundeskanzlerin, die sich auf ihren Innenminister nicht verlassen kann.

Und so schwer es wiegen würde, wenn Frau Merkel Herrn Seehofer entlassen würde: Noch schwerer wiegt es, wenn die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes kein Vertrauen mehr in ihre Sicherheitsbehörden haben können. Wenn es Horst Seehofer nicht eingreift, muss die Bundeskanzlerin es tun. Den Sicherheitsbehörden müssen wir vertrauen können und sicher sein, dass sei nicht auf eigen Faust Politik machen. Dem muss Parteitaktik und Wahlkampf in Bayern nachgeordnet sein.

 

Letzte Blogartikel

Der Staat, das sind doch wir

In der Wirtschafts- und Finanzpolitik werden gerade prinzipiell unterschiedliche Gesellschaftsvorstellungen sichtbar. Ein kapitaler politischer Bock In Baden-Württemberg macht der neue

Weiterlesen »