Ich hatte in der letzten Legislaturperiode die Ehre, quasi ein Draußen- oder, wenn Sie wollen, ein Heimatministerium führen zu dürfen. Nun berührt Heimat Zukunft, könnte man sagen. Und so möchte ich denn nicht nur die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung der Landwirtschaft beleuchten, sondern diese in ein paar grundsätzliche, quasi paradigmatische Überlegungen einbetten.
Die Digitalisierung bietet große Chancen für unser Bundesland, insbesondere wenn es gelingt, sie als Querschnittsthema mit hoher Priorität in sämtlichen Bereichen zu verankern. Für die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie spielt sie eine große Rolle in der Landwirtschaft, Energiewirtschaft und Umwelt. Ich nehme wahr, dass bereits viele von Ihnen das Potenzial, das die Digitalisierung mit sich bringt erkennen: Denn die Landwirtschaft arbeitet schon jetzt in immer mehr Bereichen digital. Zunehmend prägen Informatik und Elektronik den landwirtschaftlichen Alltag.
Von Agrar 1.0 zu Agrar 4.0
Historisch gesehen beobachten wir also auch in der Landwirtschaft den Prozess von der Handarbeit über die Mechanisierung und Automatisierung zur Digitalisierung („von Agrar 1.0 zu Agrar 4.0“).
Es setzt sich die Linie der Professionalisierung – in einem gewissen Sinne natürlich auch: der Industrialisierung fort – und das bietet, wie jeder „technische Fortschritt“ in der Vergangenheit sowohl Chancen als auch Risiken, und nicht zuletzt auch gesellschaftspolitischen Diskussionsbedarf.
Die Einführung des Melkroboters, der jetzt die händische Arbeit der Bäuerin oder des Bauern ersetzt – das nehmen und reinigen der Zitzen, das Ansetzen, das Abnehmen der Zitzenbecher -, muss man als nächste Stufe des Melkstandes sehen. Und dieser hatte die Bilderbuch-Methode „Stripp-strapp-strull“ abgelöst, so dass eine Maschine schon lange der verlängerte Arm des Bauern ist. Nun braucht es ihn – den Arm! – eben gar nicht mehr, dafür aber umso mehr den Kopf, der die anschwellende Datenflut meistern muss …
Selbstfahrende Traktoren oder Mähdrescher sind in einem gewissen Sinn nur Fortentwicklungen von Spurerkennung und GPS, wie wir sie schon lange kennen. Der Schritt heute vom Fendt Dieselross zum New Holland NH Drive mit LiRadar oder Case IH Concept, ein Trecker ohne Kabine, ist ein kleinerer als der vom Pferdewagen zum ersten Traktor, den Ihre Großväter irgendwann vor 70 Jahren anschafften.
Ein vollautomatisch gesteuerter Schweinstall ist der logische nächste Schritt, nachdem die geschlossenen Anlagen mit ihren Spaltenböden, Lüftungssystemen, Ammoniakfiltern und Futtermischern entwickelt, erprobt und Standard wurden.
Schon seit über 30 Jahren gibt es Halsbänder mit Sensorkennung, die die Fütterung steuern, jetzt ist es möglich, diese Daten auch noch mit der Milchleistung, der Anzahl der Schritte zwischen den Fütterungen, dem Gesundheitszustand des Tieres zu kombinieren. Und dem Tierhalter wird vom Programm ausgewertet, wann sich eine Fütterung nicht mehr lohnt und ein Tier seinen letzten Gang ins Schlachthaus gehen muss, denn selbstverständlich sind Futtermitteleinsatz, Preise fürs Futter und Ertrag für den Liter Milch oder das Ferkel ebenfalls programmierbar.
Und noch ein Beispiel: Der Ersatz des Pralltellers durch Injektionsverfahren, bei denen per Sensorik der Nährstoffbedarf der Pflanze , die Bodenbeschaffenheit, die Wetterprognose, der Nährstoffgehalt der Gülle simultan und in Echtzeit berücksichtigt und dokumentiert werden, bringt unstreitige ökologische Vorteile. Wäre das Standard und würden die Daten andererseits den Behörden zur Kontrolle zu Verfügung stehen, wir könnten uns viel Streit über Lagerkapazitäten, fixe Ausbringungsfristen, pauschale Abzüge von Düngeverlusten etc. sparen. Die Düngeverordnung und Stoffstromverordnung, sie würden Ergebnis-, also out-put orientiert arbeiten, nicht mehr input-orientiert. Die Ackerbauern hätten Geräte, die so programmiert wären, dass sie nur noch exakt die Menge Gülle ausbringen, die ins Wachstum geht. Wir würden statt der Höfe die Programme und Daten kontrollieren. Und Computer würden uns quasi 1:1 melden können, wenn es hier was nicht stimmt. Entsprechend könnten wir Trecker so programmieren, dass sie Vogelnester, Hasen oder Rehe automatisch detektieren und um sie herum fahren….
Ökologische Intensivierung
Das alles klingt doch verheißungsvoll. Die Digitalisierung quasi als Allheilmittel: ein noch besseres Management der Höfe, noch günstigere Lebensmittel, gesündere Tiere, optimaleres Stallklima, perfekt abgestimmte Fütterung, mehr und flexiblere Zeit für den Bauern, Reduktion und Einstellung der Eutrophierung, bessere Böden, geringere Pestizideinsätze, besseren Artenschutz, ein optimale Nutzung der Natur, ein verbesserter Schutz der Natur – oder mit einem Wort aus dem neuen Koalitionsvertrag: eine „ökologische Intensivierung“.
In dieser Perspektive unterstützt die Digitalisierung die Fortsetzung der konventionellen Landwirtschaft mit anderen Mitteln. Aber sie bedeutet eben nichts grundsätzlich Neues, sondern eben „nur“ den nächsten Schritt von Agrar 3.0 zu Agrar 4.0 Dennoch sind schon aus dieser Betrachtung ein paar Folgen durchaus dramatisch. Ich will auf drei Gesichtspunkte etwas näher eingehen: Strukturwandel, Berufsbild und Verbrauchervertrauen.
Zunächst zum Strukturwandel. Digitalisierung kostet und erfordert in vielen Bereichen einen hohen Kapitalbedarf. Ein vollautomatischer Mähdrescher kostet mal eben mehr als 200.000 Euro, ein Melkroboter je nach Größe dito, ein Güllewagen der neusten Bauart ist da mit 100.000 Euro schon fast billig – und so weiter. In dem diese Technik sich wie jede Technik bisher durchsetzt, wird sie ohne Frage den Strukturwandel weitertreiben. Es ist absehbar, dass die 25 Prozent „besten Betriebe“ – nach der der klassischen ökonomischen “Gewinn und Verlustrechnung –digitalisierte Betriebe sein werden. Die Landwirte werden ihre Kühe mit Computer und Datenaustausch besser kennen als wenn sie sich nur auf Auge, Gefühl und Erfahrung verlassen müssen. Die Sensorik im Ackerbau wird zu höheren Ernteerträgen und hoffentlich auch besseren Deckungsbeiträgen führen. Nach einer Analyse des KTBL (Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft) führt der Einsatz Automatischer Melksysteme zu einer höheren Milchmenge von durchschnittlich 7 Prozent – man kann doppelt so viele Milchkühe halten bei gleichem Personal. Aber die Preise am Weltmarkt werden dies einkalkulieren, und die kleineren Betriebe, die nicht Hunderttausende investieren wollen oder können, werden aus der konventionellen Vollerwerbs-Landwirtschaft aussteigen müssen. Wenn wir über die Jahre einen von manchen Ökonomen als gesund bezeichneten Strukturwandel von 2 Prozent hatten – Sie wissen, dass ich schon die Halbierung der Betriebe alle 25 Jahre für ein politisches Problem gehalten habe – dann wird die Digitalisierung aller Voraussicht nach zu einer deutlichen Beschleunigung führen. Und zwar einfach, weil die Dynamik und der Kapitalbedarf um so vieles größer sind. Weltweit – und bei uns vor allem in Ostdeutschland – kann man beobachten, dass die Kapitalmärkte (früher sagte man: Kapitalisten ….) die Landwirtschaft für sich entdeckt haben ….
Ein zweiter Aspekt: Das Berufsbild und damit vielleicht auch das Selbstverständnis von Bauern und Bäuerinnen wandelt sich mit der Digitalisierung. So wie viele Berufsbilder. Der Landwirt wird zum Computerexperten und Daten-Jongleur. Damit wird sich der Beruf weiter akademisieren. Immer mehr Hofnachfolger wollen ein Agrarstudium machen, Beratung und „Kopfdünger“ werden immer wichtiger. Nicht von ungefähr firmiert die Digitalisierung in der Landwirtschaft auch unter dem Begriff „Smart farming“ ….
Gleichzeitig werden einfache Tätigkeiten auf den Höfen immer seltener von Menschen ausgeführt werden – Mähdrescher fahren selbst, die Ställe reinigen sich selbst, das Futter wird automatisch gemischt und auf dem Futtertisch automatisch gefüttert. Und die Zahl der Menschen, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, wird sich weiter reduzieren.
Die industrielle Revolution hat mehr als 90 Prozent der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft beseitigt. Um 1800 arbeiteten 70-80 Prozent aller Deutschen in der Landwirtschaft. Heute sind es 1,5 Prozent – der größte Berufsfeldwandel der Geschichte.
Der twitternde Bauer Holti, mit dem ich auf dem letzten Raiffeisen-Tag über die Digitalisierung der Landwirtschaft diskutierte, sagte stolz, er sei ein Computerfachmann, sein Werkzeug ist nicht mehr Forke sondern ipad. Nun, ebenso ist es im Landwirtschaftsministerium. Die Bemessung von Feldblöcken, die Auszahlung der Prämien – das alles erfordert mehr Computer- und Verwaltungswissen als Agrarexpertise.
Und ein dritter Aspekt zur Digitalisierung: Die emotionale Entfernung zwischen Landwirten und Tieren und Böden und Feldfrüchten könnte größer werden. Die Tendenz zu geschlossenen Stallanlagen – durchaus auch als Folge von Immisions- und Seuchenschutz – wird durch die Digitalisierung verstärkt und nach Schweinen und Geflügel auch die Rinder erfassen. Der Ackerbau wird vielleicht dem Gartenbau immer ähnlicher. Auch in diesem Sinn wird die Landwirtschaft eben autonom, also verselbständigt sich. Die Computer entscheiden, wann eine Kuh abgängig ist, wann die Herden größer werden. Der Schnitttermin wird ebenfalls per Sensorik und Wetterdaten festgelegt, alte Bauernregeln werden zur Folklore. Ich frage mich, ob nicht die Gefahr droht, dass die Verbraucher irritiert und mit einem weiteren Vertrauensverlust auf die Digitalisierung reagieren. Andererseits, was kann er gegen gesündere Kühe, bessere Böden, weniger Nitratüberschuss haben? Schon heute weiß der Verbraucher ja zu oft nicht, wie moderne Landwirtschaft aussieht – wir sprachen oft über die Kühe auf den Milchtüten – mit Hörnern, auf der Weide stehend, und den Schweinen, die scheinbar in einem Fachwerkhaus mit Apfelbaum davor gemästet werden. Die Digitalisierung wird jedenfalls diesen Spagat der Verbrauchertäuschung immer schwieriger werden lassen. Wenn es gut läuft, dann kann die Digitalisierung die Rückverfolgbarkeit erleichtern und die Transparenz verbessern. Auch neue Formen der Kundenbindung und Regionalvermarktung sind bereits in Ansätzen zu erkennen. Bei diesem Punkt bin ich wirklich gespannt auf die weitere Entwicklung.
Produktionsprozesse steuern sich selbst
Was bedeutet das alles für eine Agrarpolitik, die sich auf der Höhe der Zeit befindet? So weitreichend die Konsequenzen der Digitalisierung jetzt erscheinen mögen, sie liegen alle noch auf den Entwicklungslinien der Vergangenheit. Folglich – bei allen Herausforderungen – wissen wir theoretisch, welche Möglichkeiten wir haben, um politisch und administrativ damit umzugehen. Wir können Förderprogramme auflegen (wenn wir genug Geld hätten), wir können Regeln zum Schutz erlassen, etwa auch zum Datenschutz. Die im Übrigen auch das Ministerium selbst betreffen, denn die Umwelt- und Agrarverwaltung muss in ihrem Datenhunger auch selbst gezähmt werden … Wir können auch helfen, landwirtschaftliche Produktionsalternativen zu entwickeln, wie wir es beim Weidegang oder im Ökolandbau getan haben. Vielleicht gibt es irgendwann ein Label für „Computerfreie Landwirtschaft“ oder „Landwirtschaft per Hand“. Wer weiß….
Die eigentliche Herausforderung der Digitalisierung ist aber eine andere. In dem Maße, in dem Daten in Algorithmen verarbeitet werden, haben diese eine selbstverstärkende Tendenz. „Produktionsprozesse steuern sich selbst, Maschinen kommunizieren mit Maschinen (M2M), Fahrzeuge steuern autonom, die Produktion wird mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik verzahnt, Computerprogramme treffen Entscheidungen, das „Internet der Dinge“ wird bisher etablierte Wertschöpfungsketten verändern. Der Trend geht weg von einzelnen Produkten hin zu Systemen, die aus eng miteinander verknüpften Produkten bestehen, und weiter zu „Systemen von Systemen“, die mehrere Produkte und Dienstleistungen zusammenbringen“, analysiert das BMEL im Situationsbericht 2015/16.
Das hat Konsequenzen: Stellen Sie sich vor, die Maschinen sind tatsächlich in der Lage, bei der Ernte den Naturraum optimal zu schützen. Wir bekommen eine Präzisionslandwirtschaft. Die Digitalisierung so zum besseren Schutz auf der gesamten Fläche beitragen und Schutzmaßnahmen kleinteiliger als heute lokalisieren, nicht nur auf einem Flurstück. Ähnlich wie bei der Gülleausbringung würde es dann keinen pauschalen Termin mehr geben, vor dem Grünland nicht geschnitten werden darf, sondern der Trecker umkurvt einfach die Nester der Wiesenbrüter. Idealerweise alle. Entsprechend würden sich Populationen erholen und zwar natürlich da, wo eben Wiesen sind. Wenn der Staat wie bisher pro ausgespartes Nest eine Prämie bezahlt, meldet das Programm automatisch die Zahl der ausgesparten Nester. Der Bauern kriegt seine Prämie. Bei dauerhafter Anwendung wird es Kulissen geben, die sehr viele Wiesenbrüter haben, andere, die gar keine haben. Es könnte also sein, dass wir durch die Digitalisierung eine immer stärkere Aufteilung des Landes in Schutz- und Nutzräume bekommen könnten. Etwas, das bislang politisch immer vermieden werden sollte.
Weiterhin werden die Prinzipien, nach denen diese Schutz- und Nutzräume entstehen, für uns ziemlich intransparent erfolgen. Die Programmierung auf Wiesenbrüter ist ja nur ein Beispiel von tendenziell unendlich vielen. Wir können Programme zum Schutz von Fasanen, Feldhasen und Kiebitzen erdenken, zum optimierten PSM Einsatz, zum Bodenhumus, zur Fruchtfolge, zu Landschaftselementen. Wer bestimmt die Schutzgüter? Der Algorithmus. Dann sorgt die Digitalisierung für eine Perfektionierung der Überwachung. Einmal den Knicksaumstreifen nicht eingehalten, zack, CC-Kontrolle ist immer dabei. Immer. Das ist wie beim selbstfahrenden Auto: Wenn wir heute mal zu schnell fahren, werden wir ab und an mal geblitzt. Wenn eine Software unser Auto steuert, braucht man keine Blitzer mehr, sondern jeder Verstoß kann immer aufgezeichnet werden. Die Frage der Toleranzgrenze stellt sich da so neu, wie hier die Frage der guten landwirtschaftlichen Praxis. Wenn Roboter unsere Arbeit besser machen als wir, dann können wir sie auch so programmieren, dass sie immer perfekter werden. Entsprechend haben wir überall durchgesetztes Ordnungsrecht- präzise bis auf den Mikrometer, scharf – und gnadenlos? Ist das nun ein orwellscher Alptraum oder die Lösung aller ideologisch-politischer Debatten?
Die Maschinen sind nicht mehr Dienstleister, sondern Bestimmer
Verallgemeinert gilt dies für alle landwirtschaftlichen Bereiche, ja faktisch für alle Lebensbereiche. War früher Schwein gleich Schwein und Kuh gleich Kuh, messen wir heute Zellzahlen in der Milch als Indikator für Entzündungen. Mit Hilfe der Digitalisierung können wir letztlich die Unterschiedlichkeit der landwirtschaftlichen Produkte wie unter einem Brennglas deutlich werden lassen. Und zwar über den ganzen Produktionsweg: Wie oft wurde ein Schwein mit Antibiotika behandelt? Wie ist der Herdenaltersdurchschnitt, aus dem die Milch kommt? Selbst Ei ist nicht mehr gleich Ei. Welches Futter hatte das Huhn, von dem mein Ei kommt? Wie häufig wurde der Weizen des Brötchens, das ich grad esse, gespritzt? Der Bauernhof ist nicht mehr eine Betriebseinheit, sondern löst sich in tausende von Daten auf. Faktisch führt die Digitalisierung dazu, dass es nicht mehr „den Landwirt“ gibt, sondern die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Praktiken immer stärker ins Bewusstsein rückt. Der Trend geht weg von einzelnen Produkten hin zu Systemen, die aus eng miteinander verknüpften Produkten bestehen, und weiter zu „Systemen von Systemen“, die mehrere Produkte und Dienstleistungen zusammenbringen. Ich zitiere noch einmal das Bundeslandwirtschaftsministerium: „Standen bislang Produkte und Unternehmen im Mittelpunkt vieler erfolgreicher Geschäftsmodelle, rückt in der digitalen Welt der Nutzer personalisierter Produkte und Dienstleistungen in den Mittelpunkt (smart services).“ Die digitale Landwirtschaft der Zukunft wird autonom und personalisiert. Sie macht aus „dem Verbraucher“ einen „Nutzer personalisierter Produkte“.
Und immer gibt es die Möglichkeit, die verschiedenen Produktionsgüter der Landwirtschaft zu normieren oder zu kommerzialisieren. Stellen sie sich vor, Schutzgüter wie Wiesenvogelschutz bleiben wie bisher in zweiten Säule prämienrelevant. Dann wird das Programm ausrechnen, ob es sich lohnt, ein Lerchenfenster zu lassen oder nicht. Entsprechend autonom und fast unabhängig vom einzelnen Bauern wird die Entscheidung über die Abhängigkeit von Tieren getroffen werden, über die Zusammensetzung von Bullensperma, über Vorkontrakte, über Fruchtfolgen. Gute digitale Programme werden versuchen, sich selbst zu verbessern. Also werden sie die Produktion auf ihre Ergebnisse hin optimieren. Die Maschinen sind nicht mehr Dienstleister, sondern Bestimmer. Die Entscheidungen des Landwirts sind zumindest ausrechenbar. Wenn nicht steuer- oder manipulierbar. Beides ist das Gegenteil von frei.
Noch einmal: das kann man verheißungsvoll finden, aber auch beängstigend. Jedenfalls müssen wir uns damit auseinandersetzen und – wie ich finde – vorsichtig bleiben.
An dieser Stelle tut sich eine grundsätzliche Dimension auf. Denn was bei der Digitalisierung der Landwirtschaft zu beobachten ist, kann man verallgemeinern. Bisher funktionierte unsere Gesellschaft auf der Grundlage einer politischen Verallgemeinerung. Menschen sind frei. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Es gibt unveräußerliche Rechte. Jede Stimme zählt gleich viel. Und so weiter…
Durch die Digitalisierung wird die Verallgemeinerung zu einer immer stärkeren Subjektivierung aufgebrochen. Wir kriegen ja jetzt schon ganz unterschiedliche Werbeangebote auf Facebook. Wir kriegen auch unterschiedliche Informationen der Parteien. War es früher wichtig, dass an jeder Dorfkreuzung ein Plakat stand, so werden heute Haustürwahlkämpfer bewusst in die Gegenden geschickt, in denen die größten Effekte zu erzielen sind. Wenn sie in einer Hochburg oder einer politischen Diaspora leben, dann sind sie den politischen Parteien faktisch weniger wert. Und unsere Freiheit…. Wenn Freiheit bedeutet, zwischen verschiedenen Angeboten wählen zu können, dann ist sie eben manipulierbar.
Gleiche Freiheit, gleiche Rechte, gleiche Gleichheit – das sind die Prinzipien der liberalen Demokratie und der Moderne. Die Digitalisierung fordert uns, diese neu zu denken und zu gründen.
Die Gestaltung der Landwirtschaft der Zukunft wird eine politische Frage bleiben. Die Digitalisierung macht sie nur noch drängender.