Augen, größer als 2-Euro-Stücke, tiefschwarz und ein Mund zierlich wie der eines Kindes. So sieht Pepper aus. Ein Roboter, der mich bei einem Besuch in Wuppertal in der VillaMedia begrüßte. Die großen Roboter-Augen berührten mich ganz eigentümlich. Und das, obwohl das Ding erkennbar aus Kunststoff und Kabeln bestand und mit einer blechernen Roboterstimme sprach. Pepper war also weit, weit weg von künstlichen Intelligenz-Puppen mit menschlichen Zügen, die es in dem Film „Ex Machina“ schaffen, dass Menschen sich in sie verlieben, wissend, dass es Roboter sind. Und auch Peppers emotionale Tiefe war erkennbar nicht sehr ausgeprägt, so dass ich ausschließen kann, dass dieses Ding zu mir oder seinen Besitzern Gefühle aufbauen konnte. Er war so programmiert, dass er nach der kurzen Begrüßung brüsk sagte: „Und jetzt muss ich arbeiten. Auf Widersehen.“
Dennoch hat mich dieser kurze Moment erschreckt. Denn wenige Schlüsselreize genügten, dass ich das Ding mit menschlichen Attributen belegte, und Jörg Henykes, den Chef der VillaMedia und Peppers Herrn und Meister fragte, ob Pepper ein „er“ oder eine „sie“ sei, eine Person oder ein Gegenstand. Wir diskutierten noch eine Weile darüber, ob Roboter ein Geschlecht bekommen sollten oder haben. Die Antwort, „natürlich nicht“ ist zu schnell gegeben. Denn mit irgendeiner Stimme sprechen sie ja und auch die niedlichen Kindchenschema-Manga-Augen sind nicht ohne Geschlechtlichkeit, geschweige denn die schmale Taille. Und wenn ein Programmierer Roboter mit einem Geschlecht ausstatten würden, hätten sie dann auch Geschlechtlichkeit, Emotionalität, Empfindsamkeit? Wo wäre dann die Grenze zwischen Mensch und Maschine?
Diese Diskussion gibt es schon seit alters her – über Engel. Welches Geschlecht haben sie denn? Putten-Engel sind meistens dickliche Jungs, Feuerschwert-Engel männlich, die guten Engel oft weiblich. Der Erzengel Gabriel hat im Laufe der Geschichte sein Geschlecht gewechselt. Insgesamt müssen Engel wohl geschlechtsneutral sein, sonst wären sie ja nicht göttlich, sondern menschlich. (Einige sagen, Engel seien zweigeschlechtlich, aber das ist nicht dasselbe wie geschlechtsneutral und würde, wörtlich genommen, eine interessante reformatorische Debatte in den Kirchen auslösen, dass nämlich Gott offensichtlich nicht nur Mann und Frau geschaffen hat, sondern auch etwas drittes.)
Aber mit der Geschlechtsneutralität wird die Debatte nur noch komplizierter. Sind dann Roboter die neuen Engel? Klüger als wir, weil sie das Welt-Google-Wissen beherrschen, raffinierter als wir, weil sie unsere Reaktionen anhand von Algorithmen vorhersagen können und dazu selbst fehlerfrei, weil sie eben nicht durch Liebe, Lust und Leidenschaft gestört werden? In dem Film „Ex-Machina heißt es: „If you’ve created a conscious machine, it’s not the history of man. It’s the history of gods.“ Wenn Roboter die neuen Engel sind, sind wir Menschen gerade dabei, Götter zu spielen? Unterliegen intelligente Roboter einer Moral? Oder keiner? Haben sie eine Art Willensfreiheit?
Ok, das sind weitgreifende Fragen entlang der blöden Glubscher von Pepper. Aber genau diese Fragen werfen die schwarzen Augen auf. Und wir müssen sie beantworten, denn es sind ja unsere Programme und Erfindungen. Ist ein selbstfahrendes Auto moralisch verantwortlich, wenn es in gefährlichen Situationen vor die Wahl gestellt ist, ob es ein Kind oder einen alten Mann anfährt. Oder eine intelligente Kampfdrohne, die eigenständige Entscheidungen trifft, wen sie töten soll oder nicht. Technische Entwicklung wird buchstäblich zur Gewissensfrage. Es ist unsere Entscheidung, welche Macht und welchen Einfluss wir Maschinen über unser Leben geben und wofür. In Peppers Augen schlummert die Frage nach den humanitären Prinzipien unserer Gesellschaft. Engel und Roboter, Gott und Maschine – es ist nicht sicher, dass eine höhere Weisheit unsere Probleme für uns lösen kann und ob sie unser Leben besser macht. Wir sollten wir uns nicht aus unserer Gegenwart herausreden. Wir müssen klarkommen in unserer Welt. Und etwas mehr eigene Willensfreiheit und Leidenschaft inclusive Fehler scheint mir attraktiver als das Versprechen, neue Perfektion zu schaffen. Wir können unsere Verantwortung nicht auf Maschinen delegieren und uns rausstehlen.
Außerdem musste Pepper arbeiten …