Zu schlecht zum Lachen
Das Wort bizarr hat einen neuen Film. Einen falschen Film: die Trumpsche Klima-Pressekonferenz. Erst wartet die Welt auf den verspäteten „Make-America-great-again-king“, dann kommt als Vorgruppe sein Vize und verkündet Lob, Ehr und Preis für Donald den Großen und schließlich erscheint das Elefantenbaby itself. Trump bejubelt seine bisherigen Heldentaten, um dann eine weitere hinzuzufügen: den Ausstieg aus dem Weltklimavertrag. Dieser Film ist zu schlecht zum Lachen. Und schlechtgelaunt fährt man den Computer runter oder schaltet den Fernseher ab. Und am Morgen erwacht man in einer bitteren Wirklichkeit. He did it. It is real.
Keine Beschäftigungstherapie für Wohlhabende
Und für diesen Moment scheint die Welt zusammenzustehen: Staatschefs, selbst Vertreter von Gaskonzernen, Wirtschaftslobbyisten, Wissenschaftler, Umweltorganisationen, die vielen Amerikaner, die sich fühlen wie wir – alle vereint gegen Trump. Für den Klimaschutz, für die Zukunft dieser Welt. Ja, jetzt in diesem Moment kann man ruhig mal wieder in so großen Worten zu sagen, worum es geht. Denn dieser Moment ist ein Weckruf an alle, die beim Wort Klimaschutz eingeschlafen sind und die meinten, Klimaschutz sei eine Art Beschäftigungstherapie für Wohlhabende, die sich einen Tessla kaufen, weil es irgendwie mal was anderes ist, Klimaschutz als so ein nettes Ad-on für eine saturierte Gesellschaft, die nicht mehr weiß, was sie sonst tun soll.
Klimawandel sorgt für Instabilität, Klimaschutz ist essentiell
Klimaschutz ist essentiell: Extreme Dürren in Syrien zwischen 2006-2011 sorgten für schwere Ernteausfälle und hohe Verluste in den Viehbeständen. 2011 berichteten die Vereinten Nationen von zwei bis drei 3 Millionen Syrern, die dadurch in extreme Armut getrieben wurden. Massive Landflucht war die Folge – und kurz danach brach der syrische Krieg aus.
In Jordanien ist der Grundwasserspiegel in den letzten 20 Jahren um 60 Meter gesunken. Nigeria verliert jährlich 300.000 Hektar fruchtbares Land (was man so fruchtbar nennt in Nigeria) an die Wüste. Durst und Hunger sind jetzt Realität. Und nun stelle man sich einen Temperaturanstieg von neun Grad vor, wie er vorher gesagt wird, wenn der Klimawandel ungebremst kommt.
Ich will keinesfalls behaupten, dass der Bürgerkrieg in Syrien ein Klimakrieg ist. Er brach aus, weil Assad ein Diktator und Menschenschänder ist. Und es ist nicht gesagt, dass Revolutionen und Kriege allein auf Fragen von Nahrungszugang und Klimabedingungen zurückzuführen sind. Aber dass diese Faktoren eine gewichtige Rolle spielen, dass sie zur Instabilität beitragen und ein „Bedrohungsvervielfacher“ sind, wie Sarah Johnston und Jeffrey Mazo in „Global Warming and the Arab Spring“ schreiben, das ist inzwischen hinlänglich gut untersucht.
Selbst die Weltbank, nicht gerade eine ökologisch-grüne Arbeitsgruppe – warnt von einem Anstieg der globalen Armut in Folge des Klimawandels. Bis 2030 könnten ihrer Einschätzung nach weitere 100 Millionen ausschließlich deshalb dazukommen. 100 Millionen Menschen. In 13 Jahren. Das ist politisch morgen! Und schon jetzt sind die Folgen von Armut und Krieg bei uns in Europa zu spüren. Schon bei der Aufnahme von einer Millionen Menschen hat Deutschland fast sein demokratisches Gleichgewicht verloren! Es geht uns also unmittelbar etwas an.
Aus diesem Moment des Atemanhaltens muss daher etwas folgen. Energiepolitik, Nahrungssicherheit, Wasserversorgung, Agrarstrukturen, Klimaveränderung – das alles muss Bestandteil von internationalen Beziehungen und Diplomatie werden. Klimaschutz ist Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik.
Und Wohlstand und Fortschritt muss sich anders begründen (oder es wird keinen mehr geben) – durch den Kohleausstieg und durch Bau von Windrädern und Solaranlagen, von Speichern und grenzüberschreitenden Stromnetzen, von E-Autos, E-Highways und Landstrom-Häfen, durch Investitionen in die Forschung und Entwicklung. Nichts davon ist einfach, manche Veränderungen sind schmerzhaft und langwierig, und nichts geht von selbst. Aber wenn wir nicht wie Trump sein wollen – packen wir es an.
Jetzt erst recht
Merkels Satz, dass Europa sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, gilt auch für die Klimapolitik. Nicht, weil wir allein stehen wollen in der Welt, sondern um mit anderen voranzugehen. Also: Jetzt erst recht. Europas Reaktion muss eine entschlossene Klimaschutzpolitik sein. Es kommt auf uns an. Es ist unsere Aufgabe. Es ist unsere Zeit. Es ist höchste Zeit.