Heute Mittag diskutiere ich auf einer Konferenz der ZEIT über Klimawandel und Energiewende. Mit 17 weiteren Experten, allesamt Männer. Seit einer Woche wird das bei Twitter diskutiert. Es gibt eine Resolution, das Podium zu quotieren.
Wenn selbst die renommierte, progressive ZEIT-Stiftung auf ihrer Konferenz keine Klima- und Energieexpertinnen, die es ja gibt, vorweisen kann, liegt das Problem wohl nicht allein bei Einladenden. Ein Blick auf die Einladungsliste zeigt nämlich: Die Gäste der ZEIT sind in irgendeiner Form als Funktionsträger da. Und wenn wir ehrlich sind, kennen wir Grünen das auch: Wir wollen bestimmte Organisationen mit ihren Positionen zur Diskussion bitten, und stellen dann fest, dass alle Verbände uns ihre männlichen Vorstände, Geschäftsführer etc. schicken.
Es handelt sich also nicht um ein Podium-Problem, sondern um ein Gleichstellungsproblem. Um die Gleichberechtigung steht es offensichtlich noch nicht mal im Energiebereich zum Besten. Das ZEIT-Panel macht überdeutlich, dass fortschrittliche Energiepolitik nicht zwingend fortschrittliche Gleichstellungspolitik bedeutet.
Dabei ist es ja nicht so, das sich nichts getan hätte. Wir sind weit: Abiturientinnen sind inzwischen in der Überzahl. Es ist normal, dass Frauen studieren und arbeiten, und es fällt keiner mehr in Ohnmacht, wenn Männer Babys wickeln und zur Kita bringen.
Aber auch wenn die Quote wirkt und hilft: Noch immer sind nur 29 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt – Deutschland liegt EU-weit im unteren Drittel. In den Vorständen der DAX-Konzerne sind es weniger als zehn Prozent und in der Energiewirtschaft sieht es tatsächlich noch krasser aus. Obwohl mir auf Anhieb Top-Frauen einfallen, Konzerncheffinnen, Wissenschaftlerinnen, Ministerinnen – die schieren Fakten sprechen eine andere Sprache.
Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern ist enorm: Mit über 20 Prozent Lohndifferenz ist Deutschland europäisches Schlusslicht. Weil Frauen eben doch die schlechter bezahlten Jobs machen oder in Teilzeit arbeiten. Frauen bekommen nicht mal halb so viel Rente wie Männer. Und – bei allem Männerwickellob – das Gros der Männer nimmt nur zwei Monate Elternzeit. Das hohe Lied des Elterngeldes – emanzipatorisch ist es eher mäßig erfolgreich.
Das ist nicht egal, und umso mehr, als die AfD mit ihrer Heim-an-den-Herd-Agenda punktet, vor allem bei mittelalten Männern In Baden-Württemberg war unter 10 AfD-Wählern nur eine Frau. Bei der Gesellschaftspolitik, die die Partei vertritt, überrascht das nicht: Frauen sollen Kinder gebären und sie daheim erziehen, Frauenquoten sind des Teufels. Die AfD versucht uns,– fast 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts – ins letzte (oder vorletzte Jahrhundert?) zu bugsieren, hetzt gegen das, wofür Frauen, aber auch Männer jahrzehntelang gestritten haben: für Gleichberechtigung und gegen Rabenmütter-Dogmen, für die freie Wahl von Lebensmodellen, nicht zu reden von der Ehe für alle.
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung ist eine, wie liberal wir unser Leben führen wollen und wie selbstbestimmt Menschen sein dürfen. Sie macht sich derzeit fest an der Frage von Religion und Hautfarbe und Herkunft. Aber die alte Frage der Gleichstellung zwischen den und jenseits von Geschlechtern ist noch lange nicht beantwortet. (Und auch bei Parteien, deren Vorsitzende Bundeskanzlerin ist, gibt es Chauvinismus und Sexismus.)
Vielleicht macht die ZEIT ja möglichst zeitnah ein Forum zu Fragen von Frauen- und Männerbildern. Das wäre dringend wieder an der Zeit. Und wehe, da sitzen nur Männer oder nur Frauen.